Interview mit Joana Lou

kulturreich verbindet dich wieder mit Künstler*innen: Vom 27. August bis 23. September gibt es Joana Lou’s Ausstellung “Into Reverie” bei uns in der kulturreich Galerie zu sehen. Erste Einblicke bekommt ihr schon jetzt in dem Gespräch zwischen Joana Lou und Angelika von kulturreich über fantastische Traumwelten, Geisterwesen und ihre Arbeit als Künstlerin!


Wovon erzählen deine Werke in deiner Ausstellung, die es bald bei uns zu sehen gibt?

Tatsächlich hat jedes Bild seine eigene Geschichte, die sich oft während des Malens erst konkret ergibt. Diese Geschichten kann ich mehr oder weniger gut wiedergeben, aber in dem Prozess sind sie wie ein roter Faden, der mich leitet. Was von der Geschichte übrig bleibt ist (zum Glück) immer das Bild selbst und darüber hinaus ein Wort, eine Phrase, manchmal ein Gedicht oder ein Gedanke. Gewissermaßen erzähle ich mir die Geschichten vielleicht selbst und das Malen ist sozusagen der Türöffner zur Fantasie. Alle Bilder sind visuelle Erzählungen aus meiner (Fantasie-)Welt. Sie sind eine künstlerische Übersetzung von Gefühlen, die Orte, Menschen, Erkenntnisse und Erfahrungen ausgelöst haben. 

Was willst du mit deiner Kunst zum Ausdruck bringen?

Für mich geht es im Kontext der Kunst vor allem darum, immer freier zu werden: die Freiheit einerseits im künstlerischen Schaffen, aber auch die geistige Freiheit. Beide bedingen einander.

Ich kann nicht genau sagen, ob ich aktiv etwas zum Ausdruck bringen will. Wenn ja, dann ist es wahrscheinlich eine Art und Weise, die (innere und äußere) Welt zu sehen. Damit meine ich sanft zu bleiben, so sanft, dass die eigenen Umrisse für einen Moment fast zerfließen und man sich im Geschehen auflösen kann. Dann erinnert man sich daran, dass ein Baum mehr als die vier Buchstaben ist, die ihn beschreiben. Und man versteht, dass ein Vogel ein Wesen ist, dass fliegen kann und atemberaubende Töne von sich gibt. Alles wird kurz noch mal zu einem Wunder. Ich würde mich freuen, wenn sich jemand bei der Betrachtung meiner Bilder wundert.

Was treibt dich an? Kannst du den künstlerischen Prozess beschreiben? Oder uns auch einen Einblick in deine Technik und Materialien geben?

Klaro! Angetrieben bin ich wohl am meisten von dem Gefühl, das einsetzt, wenn ich im Flow bin. Weil dann dieses Selbstständige-Geschichten-Erzählen losgeht und ich immer etwas Inneres lerne und etwas Äußeres passiert (das Bild), was sozusagen der Beweis für diesen Zustand und das Erleben dieses Flows ist.

In den Flow zu kommen ist allerdings nichts, worauf man sich verlassen kann. Dazu gehört für mich immer etwas Ungezwungenes, Leichtes. Wenn ich zu sehr in meinem Kopf bin und unbedingt *will*, dass der Flow schnell einsetzt, produziere ich nur krampfige Malereien, die mich deprimieren. Je unbefangener und offener ich bin, desto einfacher ist der Zugang zum Bild und der Zugang des Bildes zu mir. Das hat viel damit zu tun, sich einzulassen. Und das geht - vor allem mit einem weiblichen Zyklus - mal mehr und mal weniger gut.

Bezüglich der Materialien und Techniken: Ich male fast ausschließlich mit flüssigen Farben wie Tusche, Wasserfarben, flüssiges Acryl und Tinten. Für die dezenten und teilweise zeichnerischen Elemente verwende ich am liebsten getrockneten Ton. Anstelle von Tuschefedern zeichne ich gerne mit Streichhölzern oder Stöckchen und experimentiere nun seit einer Weile mit Lehm, Tonerde und Asche.

Natur, Mystik und Spontaneität der Gestaltung spielen für dich eine wichtige Rolle. Ist das richtig oder was noch? Was inspiriert dich zu deinen Arbeiten?

Richtig erkannt! Ich glaube, dass Kunst etwas sehr Persönliches sein kann. Die Affinität zur Natur beispielsweise kommt mit Sicherheit daher, dass ich auf dem Land groß geworden bin. Der Hang zur Mystik entspringt Erfahrungen, die ich gemacht habe, die mich sehr geprägt haben. Einige Bilder verarbeiten bestimmte Phasen und Erinnerungen. Malen hat für mich etwas sehr Heilsames. Heilung geht nie bis zu einem gewissen Punkt und hört dann auf, sondern ist wie eine Spirale, die immer tiefer geht. Diese Tiefe interessiert mich. 

Gibt es Kunstwerke oder Künstler*innen, die dich besonders beeindrucken oder auch geprägt haben bzw. prägen?

Definitiv!!!!!!! Und wie!!! Würde ich alle aufzählen, würde es mit Sicherheit den Rahmen sprengen. Ein konkretes Werk, was mich früh beeindruckt hat und zu dem ich einen sehr persönlichen Bezug habe, ist die Geburt der Venus. Ich hoffe sehr, es eines Tages im Original zu sehen.

Andere Künstler*innen kommen aus den verschiedensten Ecken der Kunst. Arbeiten von der Fotografin Francesca Woodman, die ich bei der feministischen Avantgarde in der Kunsthalle entdeckt habe, haben mich tief berührt. Die Tänzerin Loïe Fuller ist wie eine transzendentale Erscheinung. Auch Essays des Kunstkritikers John Berger sind wie Kunst für mich. Zeitgenössisch gibt es Parallelen zu den Arbeiten von Emma Larsson. Im Gegensatz zu ihr, die ihren Ausdruck gefunden hat, bin ich jedoch noch auf meiner Reise. Eine weitere Künstlerin, die ich gerne nennen will, ist Moira Frith. In ihre Farbwelt könnte ich eintauchen! Agnes Pelton, Hilma af Klint, Joan Miro, Georgia O’Keeffe und Yayoi Kusama inspirieren mich immer wieder. Oh! Und Herman de Vries!

Wie sieht es im Moment aus - woran arbeitest du aktuell?

Am Thema Wurzeln. Abschied und Anfang. Bald geht’s für mich nach Köln, und diese Veränderung ist eine tolle Aussicht, löst aber auch viele Rückblicke aus.

Im gestalterischen Sinne beschäftige ich mich gerade mit der eigenen Herstellung natürlicher Farben. Sehr spannend! Und cool! Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, aus Sukkulenten Farbe herzustellen. Kann’s kaum erwarten, das mal auszuprobieren!

Gibt es eine bestimmte Atmosphäre, in der du am besten künstlerisch tätig sein kannst?

Kurz und knapp: in der Natur. Das liegt bestimmt vor allem an dem entspannenden Effekt, den es auf uns Menschen hat, in die Ferne gucken zu können und überall nur organische Formen und Farben zu sehen. In abgelegenen Orten der Natur zu sein, ermöglicht Raum und Ruhe. Das liebe ich sehr.

Fühlst du dich eigentlich irgendeiner Kunstszene/-gruppe zugehörig? 

Uff. Eine gute Frage! Aktiv ehrlich gesagt nicht. Ich habe mich bisher keiner Gruppe angeschlossen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass solche konkreten Eingliederungen auch begrenzen können. Ich fühle mich allen Künstler*innen zugehörig, deren Arbeiten ich intuitiv verstehe. Dabei habe ich bisher allerdings noch keine Gruppe erkennen können :)

Wo würdest du deine Werke gerne in der Zukunft sehen?

Am liebsten an einem Ort, der nicht bereisbar ist. Vielleicht auf der Venus!

Alternativ natürlich immer in einer Galerie haha. Spaß beiseite. Ich würde meine Arbeiten eigentlich gerne mal im öffentlichen Raum sehen. An richtig hektischen Orten, wie zum Beispiel einer U-Bahn-Station. Das fände ich spannend, weil es eigentlich der falscheste Ort für die Arbeiten wäre, die der Fantasie entspringen und mit der Großstadt-Realität wenig zu tun haben wollen.

Dein Leben ohne Kunst wäre…

Keinen Gedanken daran wert.

Was ist gute Kunst für dich?

Gute Kunst erinnert mich im Idealfall immer daran, dass das Leben strange ist. Gute Kunstwerke ziehen mich durch den Raum hinweg an. Es ist schon ein paar Mal vorgekommen, dass ich weinend in Museen stand, weil Werke mich so berührt haben. Das hört sich jetzt überdramatisch an (ist es wahrscheinlich auch), aber es ist dieses 100%ige Commitment, die Welt so abzubilden, wie Künstler*innen sie sehen, was mich tief bewegt. Der Mut, die eigene Wahrheit abzubilden, das ist gute Kunst für mich.

Dein nächstes Projekt… Wo kann man dich und deine Bilder sehen?

Noch mehr mit Materialien experimentieren und neue Formate austesten! Vielleicht den Raum mehr erkunden? Konzeptioneller arbeiten? In einem Haus am See leben und mit Enten schwimmen? Mal gucken :)

Welche Frage wurde nicht gestellt, würdest du aber gerne beantworten? ;-)

Existiert mehr als das, was wir sehen können? Ja!


Lieben Dank für dieses Gespräch, deine Zeit und die Einblicke in deine Arbeit! 


Wenn ihr neugierig geworden seid - Joanas Ausstellung “Into Reverie” findet ihr vom 27. August bis 23. September bei uns in der kulturreich Galerie oder hier im online shop - schaut vorbei und lasst euch in Joanas Geisterwelten entführen!

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